6. August 2021

Queerdar #3 – Diversity im Arbeitsumfeld? Ein beidseitiger Prozess!

Diversity im Arbeitsumfeld? Ein beidseitiger Prozess!

Ines Wimbauer (34) ist HR Generalistin bei SHARE NOW und für das On- und Offboarding und “alles was dazwischen liegt” zuständig. Nicht nur privat, auch beruflich beschäftigt sie sich umfassend mit den Themen Mental Health, Gender Mainstreaming, Feminismus und Diversity. Sie ist Mitglied der “Diversity Gruppe” bei SHARE NOW. Die zehnköpfige Gruppe verfolgt das Ziel, Vielfalt im Arbeitsumfeld weiter zu fördern. Vor allem als Mitarbeiterin im HR-Team ist es ihr wichtig, Diversity als ihre eigene Challenge zu sehen und eigene Vorurteile zu erkennen, zu bekämpfen und ein offenes Ohr für alle Beschäftigten zu haben.

Dass eine tolerante und inklusive Personalpolitik in der Arbeitswelt eine immer höhere Bedeutung erhält, ist eigentlich keine Überraschung. Schließlich birgt eine vielfältige Belegschaft nicht nur zahlreiche soziale, sondern vor allem auch strategische Chancen. Die Wertschätzung von vielfältigen Beschäftigten unterstützt Unternehmen dabei, sich als eine:n attraktive:n Arbeitgeber:in zu positionieren und damit Fachkräfte, Talente und junge Arbeitnehmende anzuwerben. Eine soziale Vielfalt erhöht zudem die Zufriedenheit, die Loyalität und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden. Und damit nicht genug: Unterschiedliche Mitarbeitende mit individuellen Hintergründen fördern die Kompetenz, in vielfältigen Arbeitsgruppen erfolgreich zusammenzuarbeiten und erzielen damit nachweislich bessere Ergebnisse. Verschiedene Perspektiven steigern ganz einfach das Innovationspotenzial eines Unternehmens. Auch kann eine vielfältige Belegschaft besser auf unterschiedliche Kundenwünsche reagieren. Diversity birgt also eigentlich nur Vorteile, die konstruktiv von Unternehmen genutzt werden können. Allerdings ist die Umsetzung gar nicht so einfach, denn Diversity kann nicht einfach auf alle Beteiligten im Unternehmen übergestülpt und implementiert werden. Diversity ist vielmehr ein zweiseitiger Prozess:

Zum einen muss Vielfältigkeit und Toleranz bei den Mitarbeitenden und Führungskräften selbst gelebt werden und damit Bottom-up organisiert werden. Zum anderen muss Diversity Management in die Unternehmensstrategie verankert werden und damit nicht nur toleriert, sondern Top-down gefördert werden. Wie also kann die Umsetzung von Diversity im Unternehmenskontext konkret aussehen?

Der Jackpot: Kulturelle Vielfalt mit einem gemeinsamen Ziel

Bei SHARE NOW sind Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration wichtige Faktoren für die tägliche Arbeit. Über 50 Nationalitäten sind in der Belegschaft vertreten – eine interkulturelle Vielfalt, die die Unternehmenskultur maßgeblich prägt. Dabei hatten wir es nicht immer leicht.

Mit dem Zusammenschluss von car2go und DriveNow zu SHARE NOW im Jahr 2019 wurden die Stärken beider Unternehmen fusioniert – damit jedoch auch Marken, Mitarbeitende, Standorte, Ambitionen, Strategien und Identitäten. Mit dem Ziel, eine eigene, ganz neue Unternehmenskultur zu schaffen, wurde ein Cultur & Change Team – bestehend aus 23 Mitarbeitenden aus beiden Unternehmen mit verschiedenen Altersstufen, Geschlechtsidentitäten, Bildungen, ethnischen Herkünften, Religionen und sexuellen Orientierungen – ins Leben gerufen, um den Prozess zu begleiten. Das Ziel: Wichtige Aspekte einer gemeinsame Unternehmenskultur zu identifizieren, Probleme herauszustellen und Maßnahmen umzusetzen, bei denen alle Mitarbeitenden miteinbezogen werden.

Ein wichtiger Bestandteil hiervon war zum einen die neu gewonnene Vielfältigkeit der Mitarbeitenden strategisch zu nutzen und zum anderen ein gemeinsames übergeordnetes Ziel zu identifizieren, das alle Mitarbeitenden zusammenführt – denn wenn sich Unterschiede unter einem gemeinsamen Ziel verbinden, entsteht die größte Vielfalt an Ideen.

In einem Bottom-up-Prozess wurden die Mitarbeitenden gefragt, was sie motiviert, im Unternehmen zu arbeiten. Die Ergebnisse wurden konsolidiert und zu einem Ziel zusammengeführt: “Bei SHARE NOW glauben wir daran, mehr zu teilen und weniger zu besitzen, um unsere Städte lebenswerter zu machen”.

Dieses gemeinsame Ziel aller Mitarbeitenden bildet den Kern unserer SHARE NOW Strategie und kulturellen Initiativen. Es ist die Grundlage aller Maßnahmen und der Kern unseres Handelns. Aus diesem Leitsatz hat sich das heutige Culture and Change Ambassador Programm entwickelt: 15 Mitarbeitende aus allen Abteilungen, die über jeweils zwölf Monate Probleme in den Bereichen Kultur und Wandel identifizieren und Unterstützung bei deren Bewältigung in Zusammenarbeit mit Fachabteilungen wie der Personalabteilung und Kommunikation leisten.

Die Diversity-Gruppe: Bottom-up

Seit letztem Jahr gibt es zudem unsere Diversity-Gruppe. Hier setzen wir uns über das Thema Kultur hinaus konkret für das Thema Diversity und Inklusion ein. Entstanden ist die Gruppe durch die Mitarbeitenden der Abteilung der Produktentwicklung, da insbesondere hier das Thema “Frauen im Tech-Bereich” diskutiert wurde. Mit der Gruppe möchten wir eine Struktur schaffen, offene und transparente Prozesse sicherstellen und das Wissen über Diversity fördern. Wir möchten alle Mitarbeitenden und Führungskräfte dazu motivieren, über Vielfalt und Inklusion zu lernen und zu reflektieren, aktiv zu kommunizieren und zuzuhören. Um die Ziele und Themen der Gruppe genau zu definieren, fand auch hier zunächst ein Bottom-up Prozess statt. Mit Hilfe einer Studie wurden zunächst die Mitarbeitenden der Produktentwicklung zum Thema Diversity befragt. Hieraus wurden anschließend drei Schwerpunktthemen ermittelt: Bildung/Bewusstsein, Beförderung/Chancen und schließlich Einstellungsprozesse. Für jedes dieser Themen wurden anschließend übergeordnete und untergeordnete Ziele formuliert, die aktuell auf das gesamte Unternehmen ausgerichtet und angepasst werden. Aktuell besteht unsere Gruppe aus zehn Mitarbeitenden verschiedener Abteilungen, Geschlechter, Hierarchien, Rollen und ethnischen Zugehörigkeiten. Wir arbeiten in drei kleineren Gruppen an den jeweiligen Schwerpunktthemen. In einem zweiwöchigen Call teilen wir unsere Ergebnisse mit der gesamten Gruppe und tauschen uns aus. Zudem gibt es ein monatliches Lunch Date, wo wir alle Themen-Input geben können. Um alle Mitarbeitenden mit einzubeziehen gibt es einen gemeinsamen Slack-Channel, der für das gesamte Unternehmen zugänglich ist. Zusätzlich verwenden wir unternehmensweit das Tool Officevibe. Hier können wir Feedback und Wünsche der Mitarbeitenden anonym einsehen, evaluieren und in unseren Maßnahmen berücksichtigen.

Wo wir stehen? Am Anfang. Mit unseren großen Zielen und einem Fulltime-Job ist es nicht immer einfach, oft kommen wir nur in kleinen Schritten und langsam voran. Aber: Ein paar erste Erfolge konnten wir bereits verzeichnen. So haben wir einen Workshop für alle Mitarbeitenden zu unbewussten Vorurteilen erstellt und befinden uns auf der Zielgeraden für ein Führungskräfte- und Hiring Manager:in-Training zum Thema Diversity.

Ohne Management geht es nicht: Top-down

Ob bei dem Einstellungsprozess oder der Implementierung in unsere übergeordnete SHARE NOW Strategie – ohne die Verankerung von Diversity in die strategischen Unternehmensziele, Ressourcen und die Kompetenz von Führungskräften, ist es quasi unmöglich, Diversity im Unternehmen erfolgreich umzusetzen. Wie kann Diversity also vom Management und Personalwesen gefördert werden? Diversity beginnt im Einstellungsprozess – und damit meine ich nicht nur das Hinzufügen des Geschlechts “divers” in der Stellenbeschreibung. Verschiedene Studien zeigen, dass zumeist geschlechtsspezifische konnotierte Eigenschaften in der Sprache von Stellenausschreibungen verwendet werden, die Geschlechterstereotype unterstreichen. Frauen bewerben sich beispielsweise seltener auf Stellen, in denen vorwiegend ‘typisch männliche’ Eigenschaften wie “durchsetzungsstark” gefordert werden. Bei SHARE NOW bemühen wir uns, unsere Recruitingprozesse umzustellen und nachweislich inklusive Ansätze umzusetzen. So fordern wir keine Bilder von Bewerbenden und wählen einen sensiblen, transparenten und offenen Recruiting-Prozess. Auch mit unserer Sprache und Bildsprache möchten wir zeigen, dass wir ein diversifiziertes Unternehmen sind und alle Menschen ansprechen. Mit dem Ziel, geschlechtliche Vielfalt zu unterstützen, Gleichstellung zu fördern und zeitgemäß zu kommunizieren, haben wir angefangen, gendergerechte Sprache in all unseren internen und externen Kommunikationskanälen zu nutzen, wie unserer Website, App und Marketingkampagnen. Damit wollen wir der stereotypischen Reproduktion entgegenwirken und die Zuschreibung von bestimmten Eigenschaften vom Geschlecht lösen. Auch in unserer übergeordneten Strategie verankern wir vermehrt Diversity. Um ein wertschätzendes Arbeitsumfeld weiterhin zu fördern – unabhängig von Alter, ethnischer Herkunft und Nationalität, Geschlecht und Geschlechtsidentität, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexueller Orientierung und sozialer Herkunft – hat SHARE NOW zudem die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Damit verpflichten wir uns als Unternehmen, eine Organisationskultur zu pflegen, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt ist, Vielfalt innerhalb und außerhalb der Organisation anzuerkennen, sowie Personalprozesse zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie den vielfältigen Kompetenzen und Talenten aller Mitarbeitenden gerecht werden und den Leistungserwartungen entsprechen.

Was kann ein Unternehmen also konkret tun, um Diversity zu fördern?

Viel! Auch wenn wir teilweise noch am Anfang stehen und die Mobilitätsbranche trotz aller Bemühungen aktuell noch nicht zufriedenstellend diversifiziert ist, sind wir auf einem guten Weg und kämpfen von beiden Seiten für mehr Toleranz und Vielfältigkeit – von oben und unten.

2 Bosak, J. & Sczesny, S. (2011). Gender bias in leader selection? Evidence from a hiring simulation study. Sex Roles, 65, 234–242.

doi: 10.1007/ s11199-011-0012-7

1 Gaucher, D., Friesen, J. & Kay, A. C. (2011). Evidence that gendered wording in job advertisements exists and sustains gender

inequality. Journal of Personality and Social Psychology, 101, 109-128. doi: 10.1037/a0022530